Liebe Mitglieder der Alternative für Deutschland,
schon seit geraumer Zeit treibt mich der Gedanke um, Ihnen, unseren Mitgliedern, einen ganz eigenen „Brief aus Brüssel“ zu schreiben, als Bundesprecher ebenso wie als Leiter unserer mit elf Abgeordneten zwar recht kleinen, aber sehr leistungsstarken und von hoher Sachkompetenz getragenen AfD-Delegation im Parlament der Europäischen Union. Heute setze ich diesen Gedanken aus einer ganzen Vielzahl von aktuellen Gründen um, und erlaube mir, Sie um vielleicht fünf Minuten Ihrer Zeit für die Lektüre meiner an Sie gerichteten Zeilen zu bitten.
Es gibt in Deutschland allgemein, und in den Reihen unserer Partei sogar besonders ausgeprägt, eine bei vielen verbreitete Neigung, sich mit der Politik der EU, mit den in Brüssel getroffenen politischen Entscheidungen, allenfalls am Rande zu befassen und sie für das eigene Leben als weniger maßgeblich und wichtig zu erachten als politische Maßnahmen, die in Berlin im Bundestag oder in einem der 16 Parlamente der Bundesländer beschlossen werden. Das mag an sprachlichen Barrieren liegen, an gefühlter geographischer Entfernung zu Brüssel, oder auch schlicht an der Unverständlichkeit oder Kompliziertheit von vielem, was da aus Brüssel an Nachrichten hereinkommt.
Das Problem ist: Der Irrtum könnte größer gar nicht sein. Schon lange, ob uns Bürgern das nun behagt oder nicht – und uns AfDlern behagt das ganz und gar nicht! -, wird unser aller Leben in einem Maße von EU-Institutionen (der Kommission, dem Parlament, dem Rat, der EZB, dem EuGH) gesteuert, das sich leider nur wenige je bewusstmachen. Es gibt immer weniger politische Vorgänge, die noch, wenn sie nicht ohnehin direkt aus Brüssel stammen, in alleiniger Kompetenz der nationalen Parlamente entschieden werden können. Diese Tendenz ist seit vielen Jahren anhaltend steigend.
Berlin droht, wie andere nationale Hauptstädte auch, immer mehr zu einer Art Filialbetrieb und Befehlsempfängerin der Zentrale Brüssel zu werden.Das hat, auch das übersehen viele, Methode. Je weiter weg vom Bürger die Entscheidungen getroffen werden, die die Bedingungen seiner Existenz und seine Handlungsmöglichkeiten abstecken, desto weniger nimmt er sie wahr und desto weniger kann er sich dagegen bei Nichteinverständnis erfolgreich zur Wehr setzen. Nicht zufällig braucht die EU das Feigenblatt eines „Bürgerbeaufragten“, den kaum jemand kennt oder je bemüht hätte. Dass jede politische Entscheidung in der Demokratie als Grundlage eine Bürgerbeauftragung braucht, schert in dem Paralleluniversum Brüssel weder die politischen Entscheidungsträger noch die Heerscharen der sie umgebenden Bürokratie sonderlich.
Und während die Menschen millionenfach mit den Widrigkeiten des Corona-Virus und fast mehr noch mit den auch in meiner Wahrnehmung unverhältnismäßigen Maßnahmen der uns schon viel zu lange Regierenden beschäftigt sind, geschehen – darüber weitgehend unbemerkt – im Zentrum der EU Dinge, die von historischer Tragweite sind und die das Leben der Menschen in Europa und in Deutschland massiv und dauerhaft weiter zum Negativen verändern werden.Einige aktuelle Beispiele, nur stichwortartig:
- Kommissionspräsidentin von der Leyen verkündet den sogenannten GREEN DEAL, der weder „green“ im Sinne von ökologisch sinnvoll noch ein „deal“ im Sinne einer Verhandlung darüber ist, sondern von der Kommission schlicht aufoktroyiert wird, ein Finanzvolumen von reichlich einer BILLION (!) € verschlingen soll und so hirnrissige wie unerreichbare Ziele (eine Brüsseler Spezialität, es schaut halt kaum jemand hin) formuliert.
- Wenig später beschließen Merkel, Macron und von der Leyen einen EU-„Wiederaufbaufonds“ mit einem Finanzvolumen von 750 Mrd. €, der die vorgeblichen Verwüstungen der EU durch Covid-19 heilen soll, dies übrigens erstmalig und gegen die bestehenden Regeln auf Basis einer Kreditaufnahme der EU.
- Über diese finanziellen Multimilliardengräber hinweg wird auf dem letzten Ratsgipfel ein siebenjähriger mittelfristiger Finanzrahmen mit einem Volumen von mehr als einer BILLION € (1.074 Mrd.) € verabschiedet; im EP halten die vereinigten Sozialisten aller Fraktionen – bis auf die unsere natürlich – das für nicht etwa zu viel, sondern im Gegenteil für noch zu wenig.
- Im Rahmen der sogenannten „Africa Strategy“ wird eine neue „Partnerschaft“ beschlossen, unter anderem für sichere, ordentliche und legalisierte Migration und Mobilität in den Raum der EU hinein, mit dem das bisherige „soft law“ des Globalen Pakts für Migration in „hard law“ transformiert werden soll.
- In unmittelbarer Vorbereitung ist derzeit, von den Bürgern der EU noch weitgehend unbemerkt, ein neuer „Migrationspakt“ mit exakt dieser Stoßrichtung. Unsere ID-Fraktion im EP erarbeitet dagegen aktuell – in Zusammenarbeit mit den nationalen Fraktionen unserer Parteien – eine groß angelegte Kampagne, um die Bürger der EU darauf aufmerksam zu machen und den dringend notwendigen Widerstand dagegen zu bündeln und zu organisieren.
- Mit größerer Entschiedenheit denn je wird in Brüssel an der Einführung eigener Besteuerungskompetenzen der EU gearbeitet. Die Option zur Aufnahme von Haushaltskrediten wird überdies geschaffen, natürlich zunächst wie den Bürgern beteuert wird „ausnahmsweise“, obwohl jedem Kenner der Materie natürlich bewusst ist, dass diese „Ausnahme“ wenig später ebenso zur Regel werden wird wie die nur „ausnahmsweise“ Finanzierung von Mitgliedstaaten durch andere und durch die Europäische Zentralbank, die seit 2009 gegen die Statuten längst zur ständigen Praxis geworden ist.
- Merkel, Macron, von der Leyen und etliche andere arbeiten an der Aufweichung und schließlich Abschaffung der Einstimmigkeitsregel, die für alle finanzrelevanten Beschlüsse im Rat derzeit Gott sei Dank noch gilt. Sollte dieser Dammbruch zugunsten von Mehrheitsbeschlüssen gelingen, wäre der sozialistischen Umverteilung innerhalb der EU damit endgültig jede Begrenzung entzogen.
Das Ziel all dessen ist für den, der hinschaut, vollkommen unübersehbar: Es geht um nicht weniger als die Erreichung der Eigenstaatlichkeit der EU. Das Ziel all dessen ist die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa und die damit einhergehende Abschaffung der bisherigen Nationalstaaten, also auch Deutschlands, die in einem multinationalen neuen Staatswesen aufgehen sollen.
Nicht zufällig jubeln die Fraktionen der Kommunisten, Sozialisten und Grünen Kommissionspräsidentin von der Leyen am lautesten zu, wenn diese wieder einmal mit dem ihr eigenen Pathos ihre hochtrabenden Pläne im Parlament vorträgt. Es ist genau deren alter Wunschtraum des im Wortsinne grenzenlosen Multikulturalismus und des Endes aller Nationalstaaten, der da auf den Weg gebracht wird.Angesichts dieser nach unserer festen Überzeugung historisch falschen Weichenstellung bedarf es vor Ort einer starken und entschlossenen Stimme der harten Opposition gegen diesen verhängnisvollen Kurs. Ich betrachte es – mit meinen zehn ausgezeichneten Mitstreitern der AfD-Delegation – als die erste und wichtigste Aufgabe meines Mandats als Abgeordneter des EP, diese Stimme laut, vernehmlich und vollkommen klar zu erheben. Entsprechend deutlich werde ich in meinen Redebeiträgen im Plenum, die Millionen Menschen vor allem über die diversen sozialen Netzwerke erreichen. So zuletzt meine Antworten auf Bundeskanzlerin Merkel, als diese im Juli das Programm der Deutschen Ratspräsidentschaft im Parlament vorstellte,
siehe hier: https://m.youtube.com/watch?v=32nXjkwzzXE ,
sowie auf Kommissionspräsidentin von der Leyen, als diese vor knapp zwei Wochen ihre ebenso schwülstige wie inhaltsleere, aber sprechblasengefüllte Rede „zur Lage der Union“ im Parlament vortrug,
siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=LHa4eaxc1ZM&app=desktop . Liebe Parteifreunde, vielleicht lesen Sie es aus diesen Zeilen und hören es aus meinen gesprochenen Worten heraus: Mein Mandat im Parlament der EU ist mir Passion, ist mir die Aufgabe, für die ich von Ihnen nominiert und von den Wählern mandatiert wurde. Ich gehe ihr mit Leidenschaft im Interesse unserer Nation Deutschland, die ich erhalten und nicht in einem identitätslosen Nichts namens Vereinigte Staaten von Europa erlöschen sehen möchte, vor Ort in Brüssel nach.
Diese Aufgabe wahrzunehmen ist in höchstem Maße notwendig, zumal weitere Stimmen der entschlossenen Opposition spätestens seit dem Weggang der Briten durch deren Austritt aus der EU („Brexit“) kaum mehr vorhanden sind.Was wir im Team als Delegation unserer Partei dort tun, und was ich selbst als Vorsitzender dieser Delegation dort tue, ist eminent wichtig für die Zukunft unseres Landes. In Brüssel, dem politischen Maschinenraum der Europäischen Union, werden bis auf weiteres zentrale Weichen für unser aller Zukunft gestellt. Solange dies so ist, und es sind derzeit und in näherer Zukunft absehbar in Deutschland keine Mehrheiten für eine Änderung dessen vorhanden (dies auch dann nicht, wenn wir uns für einen „Dexit“ aussprechen sollten), braucht es in Brüssel eine sehr starke Stimme der Opposition gegen den dort grassierenden, im Wesenskern sozialistischen Irrsinn.
Diese Stimme wollen wir als AfD-Delegation, und die will auch ich als ihr Vorsitzender weiterhin sein. Das bedeutet zugleich auch, dass ich den von sehr vielen Mitgliedern an mich herangetragenen Wunsch, ich möge für die Wahl zum nächsten Deutschen Bundestag kandidieren und meine politische Mandats-Arbeit für die AfD statt im EP im Bundestag fortsetzen, nicht entsprechen kann. Leitend für diese Entscheidung ist meine Überzeugung, dass ich der Partei derzeit in meinem bestehenden Mandat im EP unter dem Strich mehr dienen kann als mit einem Wechsel nach Berlin. Ich hoffe, mit den voranstehenden Ausführungen habe ich Ihnen ein wenig verdeutlichen können, warum das so ist.
In dem Wissen, dass wir in Berlin bereits heute viele kluge Köpfe für unsere gemeinsamen Anliegen am Werk haben, und der Überzeugung, dass dies nach der Bundestagswahl 2021 ebenso sein wird, sehe ich der weiteren gemeinsamen Arbeit unserer Fraktionen im Europäischen Parlament wie im Deutschen Bundestag mit großer Freude und Zuversicht entgegen. Uns alle eint das Ziel, unserer Heimat Deutschland in Europa eine Zukunft in Freiheit, Frieden und Wohlstand zu erhalten. Arbeiten wir weiter gemeinsam daran, jeden Tag und ein jeder an seinem Platz!
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Jörg Meuthen